TU Wien Informatics

20 Years

Der Computer ist dumm

  • 2014-06-02
  • Research

Die künstliche Intelligenz macht große Fortschritte. Beim „Vienna Summer of Logic“ werden mehrere Konferenzen über dieses Thema stattfinden.

TU Wien, Presseaussendung 57 / 2014, Florian Aigner

Der Ball passt nicht in den Koffer, weil er zu klein ist. Was ist zu klein? Der Ball oder der Koffer? Für einen Menschen ist die Antwort klar, doch Computer sind mit solchen Fragen heute noch überfordert. Die Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz versucht das zu ändern. Mit Methoden der Logik entwickelt man heute Strategien, dem natürlichen, hausverstandsorientierten Schlussfolgern näher zu kommen. Mit der Entwicklung „künstlicher Menschen“ hat das freilich nichts zu tun – eher mit der Entwicklung, kluger, hilfreicher Computerprogramme. Suchmaschinen im Internet sollen durch künstliche Intelligenz viel nützlicher werden. Aus simplen Datenbanken sollen klug organisierte Wissensbanken werden, die etwa bei medizinischen Diagnosen helfen können.

Vom Schachcomputer auf dem Weg zu HAL 9000?

Schachspielen galt lange Zeit als klassischer Maßstab für Intelligenz. Wenn Computerprogramme Schachgroßmeister besiegen, kann dann der Weg noch weit sein bis zu den intelligenten Computern, die wir aus Science-Fiction-Filmen kennen und uns in ihrer Intelligenz vielleicht sogar übertreffen? Der Schriftsteller Isaac Asimov machte sich schon in den 1940er Gedanken über die „Robotergesetze“ für die Regelung des Zusammenlebens mit intelligenten Maschinen. In Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ reißt der hyperintelligente Computer HAL bei einer Weltraummission die Kontrolle an sich, und auch „Terminator“ zeigt intelligentes Verhalten – wenn auch mit recht wenig Empathie.

Allerdings kann man auch nach mehreren Jahrzehnten Computerforschung im Elektronikhandel noch keinen intelligenten Arbeitsgehilfen kaufen. Intelligenz ist etwas ganz anderes als das Lösen von Schachproblemen. Ein Schachcomputer probiert einfach sehr viele Spielmöglichkeiten durch, das ist noch kein intelligentes Verhalten. Um so etwas wie echte Intelligenz hervorzubringen, benötigt man neue Methoden aus der formalen Logik.

Papageien und Pinguine

In der klassischen Logik schließt man von gegebenen Tatsachen auf neue Fakten. Wenn dann nachträglich noch weitere Information hinzukommt, ändert das nichts an den bisherigen Erkenntnissen. Aus dem Satz „Vögel können fliegen“ und „dieser Papagei ist ein Vogel“ kann man schließen: „Dieser Papagei kann fliegen“. Wenn man nun zusätzlich die Information erhält „dieser Papagei heißt Kurt“, dann gilt unabhängig davon noch immer, dass er fliegen kann. Man nennt diese Eigenschaft in der Logik „Monotonie“.

Ganz so einfach ist die Sache aber nicht immer. Aus „Vögel können fliegen“ und „Alan ist ein Vogel“ kann man zwar schließen „Alan kann fliegen“, doch wenn man dann zusätzlich lernt „Alan ist ein Pinguin“, dann muss man diesen Schluss wieder zurücknehmen – ein Fall von logischer Nicht-Monotonie. Durch zusätzliche Information lernen wir in diesem Fall nicht bloß etwas Neues, sondern wir müssen eine bereits für gültig gehaltene Schlussfolgerung wieder verwerfen. Wir Menschen schaffen es ständig ganz mühelos, mit solchen logischen Ausnahmen umzugehen. In einer klassischen, monotonen Logik ist das allerdings nicht möglich.

Für jeden Anlass die richtige Logik

„Man arbeitet heute mit ganz unterschiedliche Logiken, die für unterschiedliche Einsatzbereiche geeignet sind“, erklärt Prof. Thomas Eiter vom Institut für Informationssysteme der TU Wien. Manche dieser Logiken sind nicht-monoton und können daher mit Fällen wie dem Pinguin-Beispiel zurechtkommen. Bestimmte Logiken geben auch den Grundsatz der Zweiwertigkeit auf: Eine Aussage muss nicht unbedingt entweder wahr oder falsch sein, auch mit „ziemlich wahren“ oder „eher falschen“ Aussagen kann man logisch arbeiten.

„Ein wichtiger Bestandteil von Intelligenz ist die Fähigkeit, mit unvollständiger oder sogar widersprüchlicher Information umzugehen“, sagt Thomas Eiter. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn man anhand von einer Liste medizinischer Symptome eine Diagnose erstellen möchte. Es gibt untypische Krankheitsverläufe, bei denen ein bestimmtes Symptom nicht auftritt, oder es kommt ein weiteres Symptom zu den sonst üblichen hinzu. Mit klassischer Logik stößt man hier schnell auf Probleme, doch mittlerweile gibt es leistungsfähige logische Werkzeuge für solche Problemstellungen, etwa um aus einer medizinischen Wissensbank mögliche Diagnosen herauszufiltern und ihre Wahrscheinlichkeiten anzugeben.

Wissen richtig verknüpfen

Wissen, das bloß auf einer Festplatte gespeichert ist, hat mit Intelligenz noch nichts zu tun. Entscheidend ist, dem Wissen eine Struktur zu geben – eine Bedeutung, die entsteht, indem man es mit anderem Wissen verknüpft. Einer gewöhnlichen Datenbank ist es völlig egal, ob die Wörter in Spalte 3 Namen oder Orte sind. Ein intelligentes Programm weiß, dass diese beiden Kategorien ganz unterschiedliche Bedeutung haben und behandelt sie unterschiedlich. Das Programm setzt Inhalte in Beziehung, erkennt Strukturen, und kann vielleicht sogar fehlende Information aus bekannten Daten erschließen.

So könnte ein intelligentes Programm beispielsweise wissen, dass ein Koffer in die Kategorie der Behältnisse gehört, in die man etwas anderes hineinpacken kann, und dass Dinge nur in ein bestimmtes Behältnis passen, wenn sie kleiner sind als das Behältnis. Damit ließe sich schlussfolgern, dass der Koffer zu klein ist, wenn der Ball nicht hineinpasst, und nicht umgekehrt. Diese Art von intuitivem Verständnis fehlt den Computerprogrammen, die wir heute täglich benützen. Sie sind, nach menschlichen Maßstäben gemessen, ziemlich dumm. Doch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird sich das wohl drastisch ändern, meint Thomas Eiter. Wir werden uns daran gewöhnen, mit Computern viel natürlicher und intuitiver zusammenzuarbeiten als das heute möglich ist.

Die größte wissenschaftliche Veranstaltung in der Geschichte der Logik findet im Juli an der TU Wien statt. Für den „Vienna Summer of Logic“ wird Forschungsprominenz aus der ganzen Welt nach Wien kommen – in eine Stadt, die eng mit der Geschichte der Logik verknüpft ist.

Rückfragehinweis: Prof. Thomas Eiter Institut für Informationssysteme Technische Universität Wien Favoritenstraße 9-11, 1040 Wien T: +43-1-58801-18460 thomas.eiter@tuwien.ac.at

Aussender: Dr. Florian Aigner Büro für Öffentlichkeitsarbeit Technische Universität Wien Operngasse 11, 1040 Wien T: +43-1-58801-41027 florian.aigner@tuwien.ac.at

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